Rauhnächte

Ulrich Droldner

Die Zwölften oder Zwölfnächte, bezeichnen einen Zeitraum zwischen dem 21. Dezember (dem Thomastag oder dem Tag der Wintersonnenwende) und dem 06. Januar (dem Fest der Erscheinung des Herrn). Regional unterschiedlich werden entweder die 11 Tage und 12 Nächte von der Wintersonnenwende bis zum ersten Tag des neuen Jahres oder die Tage und Nächte vom Beginn des Kirchenjahres am 25. Dezember bis zum Dreikönigstag am 06. Januar so bezeichnet.
Diese 11 Tage und 12 Nächte „zwischen den Jahren“, auch tote Tage oder Rauhnächte genannt, haben ihren Ursprung in kalendarischen Besonderheiten. So hat das Mondjahr mit seinen 12 Mondmonaten mit jeweils 29,5 Tagen nur insgesamt 354 Tage. Das Sonnenjahr hingegen hat 365 Tage.
Im Volksglauben waren diese Differenztage die Zeit, in der das Geisterreich offen steht, Dämonen ziehen als Wilde Jagd (Wildes Heer) durch die Lande, ursprünglich angeführt von Wodan (de Wau). Man wappnete sich gegen diese Unholde, indem man unter anderem die Ställe mit Weihrauch beräucherte, um das Vieh zu schützen – dies ein möglicher Wortursprung: Rauchnächte. Schon Johannes Boemus (1520) und Sebastian Franck (1534) berichten: „Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberge mache / für alle teüfel gespenst und zauberey.“ Eine andere Erklärung für den Wortstamm liefert das mittelhochdeutsche Wort ruch, was soviel wie haarig bedeutet – fellgekleidete Dämonen treiben ihr Unwesen. Noch heute findet das Wort Rauhware in der Kürschnerei für Pelze Verwendung. Eine andere Methode, Unholde fern zu halten bestand und besteht noch darin, Lärm zu erzeugen. So z.B. das Böllern, Rummelpottlaufen, Silvesterfeuerwerk oder die Glöckler und Prechtenläufe im Alpenraum. In verschiedenen Teilen Europas war der Glaube verbreitet, dass sich Zauberkundige, die mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hatten, nachts in Werwölfe verwandelten und Tiere und Menschen bedrohten. Auch eigneten sich die Rauhnächte besonders für Beschwörungen und Wahrsagungen. So hat sich der Silvesterbrauch des Wachs- oder Bleigießens bis heute erhalten. Wer unbeschadet durch die Rauhnächte kommen wollte, musste Regeln beachten: Faste und bete, dulde keine Unordnung im Haus, Frauen und Kinder gehen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach draußen, es darf nicht Karten gespielt werden, hänge keine (weiße) Wäsche auf die Leine (wilde Reiter stehlen sie und verwenden sie im folgenden Jahr als Leichentuch für den Besitzer), spanne keine Wäscheleine, das Wilde Heer verheddert sich darin, über die Frau, die ihre Unterwäsche auf die Leine hängt, werden die wilden Unholde herfallen. Oftmals ohne den genauen Grund zu kennen, verzichten noch heute einige Zeitgenossen darauf, zwischen Weihnachten und Neujahr Wäsche zu waschen.

Quellen:
 - Wikipedia - Rauhnacht
 - Reinhardt Stiehle: Das Rätsel der Rauhnächte - Chiron Verlag - Tübingen 2011

J.W. Cordes: Der wilde Jäger 1864-1869 (Ölskizze). Museum Behnhaus Lübeck.
J.W. Cordes: Der wilde Jäger 1864-1869 (Ölskizze). Museum Behnhaus Lübeck.

Die hier gezeigte Ölskizze „Der wilde Jäger“ des Lübecker Genremalers des 19. Jahrhunderts, Johann Wilhelm Cordes, ist im Behnhaus in Lübeck zu sehen. Sie wird häufig in Anspruch genommen, wenn es darum geht, sich eine bildliche Vorstellung von dem wilde Heer der Rauhnächte zu machen. Es ist aber wohl eher so, dass sich Cordes von dem Gedicht „Der wilde Jäger“ (36 sechszeilige Strophen) des deutschen Dichters der Aufklärung im 18. Jahrhundert, Gottfried August Bürger, inspirieren ließ.