Wer war "unsere" Kühsener Moorleiche? Ein Geheimnis ist gelüftet!

Kurze Zusammenfassung einer wissenschaftlichen Veröffentlichung

Ulrich Droldner

Nachdem wir 2019 (siehe Kühsen erscheint – Moorleichenfund) erfahren hatten, dass Frau Dr. Abegg-Wigg, Kuratorin Eisenzeit am Museum für Archäologie Schloss Gottorf, wissenschaftliche Untersuchungen an dem Moorskelett veranlasst hatte, wandten wir uns an sie mit der Bitte, uns die Ergebnisse mitzuteilen.
Das ist nun am 19.01.2023 geschehen und wir bedanken uns dafür herzlich.
Frau Dr. Abegg-Wigg übersandte uns eine Veröffentlichung des Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz mit dem Titel: Ein Moorskelett der römischen Kaiserzeit aus Schleswig-Holstein – neue Untersuchungen zum Fund von Kühsen (Kr. Herzogtum Lauenburg). In Zusammenarbeit mit Prof. Krause-Kyora vom Molekularbiologischen Institut der Universität Kiel wird hier eine Vielzahl von Erkenntnissen unterschiedlicher Forschungsmethoden dargestellt. Der erhoffte Erkenntnisgewinn richtet sich auf Aussagen zu Alter, Geschlecht, Aussehen, Ernährungszustand, Krankheiten und Todesursachen. Dabei sind in neuerer Zeit Moorskelette mit geringer Weichteilerhaltung - wie im Falle von Kühsen - in das besondere Interesse der Forschung gerückt. Aus Deutschland sind ca. 130 Moorleichenfunde dokumentiert. Von den 60 bisher in Schleswig Holstein gesicherten Funden existieren heute noch 10, eine davon aus Kühsen.

Nachdem, wie bereits berichtet, das Skelett 1960 geborgen worden war (Fundort siehe Grafik), wurden 1961, 1963 und 1964 erste Untersuchungsergebnisse veröffentlicht. 2018 wurde dann in einer Kooperation mit dem Institut für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Ben Krause-Kyora) eine Knochenprobe aus dem Felsenbein am Schädel entnommen und einer Radiokarbondatierung unterzogen. Auch eine Isotopen- und aDNA-Analyse wurden durchgeführt. Die vorangegangenen anthropologisch-anatomischen Untersuchungen ergaben ein fast vollständiges, unverletztes Skelett. Durch die Huminsäure war es weitgehend entkalkt. Den Knochen hafteten nur wenige Gewebeteile (Knochenhaut) an. Im Schädel vorgefundene Gewebemasse (vermutlich das Gehirn) existiert heute nicht mehr. Das Fehlen von Weichteilen wird auf den alkalischen Gehalt des Kühsener Moorwassers zurückgeführt.

Kartographischer Fundort der Moorleiche. Quelle: Ein Moorskelett der römischen Kaiserzeit aus Schleswig-Holstein - Neue Untersuchungen zum Fnd von Kühsen. Autoren: Angelika Abegg Wigg & Ben Krause Kyora.
Grafik: J. Schüller, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Schleswig. Quelle: Ein Moorskelett der römischen Kaiserzeit aus Schleswig-Holstein - Neue Untersuchungen zum Fnd von Kühsen. Autoren: Angelika Abegg-Wigg & Ben Krause Kyora.

Nach dem Entwicklungszustand des Skeletts und dem Zahnstatus handelt es sich, anders als früher angenommen, um eine jugendliche Frau, ca. 15 bis 18 Jahre alt zum Zeitpunkt des Todes. Die Geschlechtsbestimmung wurde durch eine aDNA-Untersuchung vorgenommen. An den Zähnen wurde Karies festgestellt, Verletzungsspuren gibt es nicht. Neben den Resten einer bronzezeitlichen Leiche ist somit die Kühsener Moorleiche die einzige weibliche im Bestand des Museums für Archäologie Schloss Gottorf. Die Fundstätte zeigte, dass der Körper im Moor ohne Beigaben niedergelegt wurde. Die Tote war mit Reisig überdeckt und schräg in den Boden gesteckte Stangen überkreuzten den Körper dachartig. Eine in Nordeuropa gebräuchliche Erscheinung. Die Radiokarbondatierung ergab eine Lebenszeit zwischen den Jahren 28 und 129 n. Chr. und die Analyse der stabilen Isotope weist auf eine Ernährung aus vielen pflanzlichen und einigen tierischen Produkten von Feld, Wiese, Wald und See oder Fluss hin. Marine Nahrungsquellen, also Nahrung aus dem Meer, spielten keine Rolle. Die genetischen Analysen zeigen nicht nur, dass es sich um ein weibliches Individuum handelt, sondern auch, dass die jugendliche Frau eher helle Haut und rötliche Haare hatte. Diese Merkmale weisen auf eine lokale Herkunft hin, sie war also keine Fremde. Die Todesursache ist ungewiss, die Ost-West Ausrichtung und die Abdeckung mit Ästen weisen auf ein normales Körpergrab hin.

Quelle: (A. Abegg-Wigg/ B. Krause-Kyora, Ein Moorskelett der Römischen Kaiserzeit aus Schleswig-Holstein – neue Untersuchungen zum Fund von Kühsen (Kr. Herzogtum Lauenburg); Archäologisches Korrespondenzblatt 52, 2022, 507–519)




Anmerkung: An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass wir es sehr zu schätzen wissen, von hochrangigen Wissenschaftlern in unserer selbstgestellten Aufgabe, vorhandenes Wissen weiterzugeben, unterstützt zu werden.