Ja, wie gesagt, ich hätte im Frühjahr ‚'45 eingeschult werden müssen.. und danach alles still ne. Ich glaub im Herbst wurde wieder unterrichtet. Und deswegen bin ich erst im Frühjahr '46 eingeschult worden, da war ich schon ein älterer Knabe. Dafür habe ich dann das zweite Schuljahr übersprungen, damit ich wieder im Zeitplan war. Und so ging das dann weiter. Sechs Klassen habe ich hier durchgemacht und dann war in Sandesneben die jetzige Realschule als Aufbau. Und dann bin ich dann da hin gegangen. '55 im Frühjahr bin ich mit einem miesen Zeugnis entlassen worden. Aber.. da fragt ja keiner mehr nach.
Den ersten Tag bin ich zu spät gekommen. Einmal sollte einer von den großen Jungs einen Stock aus dem Knick holen. Und zu mir sagt der dann. „komm doch mit“ ... die Schule ganz vergessen. Herr Fischer, er war ja streng, aber er hat noch Weihnachtsfeiern ausgerichtet… und … da sind wir mit der Schule ein paar Mal nach Travemünde gefahren zum Baden. Im Schiff von der Hude aus. Dauerte fünf Stunden eine Tour. Aber war ja was für uns Jungs. Da war ja sowieso reger Personenschiffverkehr auf dem Kanal. Nach Mölln konnte man fahren, dauerte eine Stunde, nach Lübeck drei und nach Travemünde fünf. Als wir dann gesehen haben unterwegs, da wo das Ostufer der Trave schon zur DDR gehörte, da war einfach ein U-Boot mit Schwung auf den Strand raufgesaust. Und das lag da noch. Die haben das da einfach abgestellt und weg. Die Besatzungsmächte… schätze ich. Ja und dann haben wir ja das Kriegsende erlebt. Da war für uns Kinder ja alles Abenteuer. Aber das habe ich ja schon erzählt mit den Flüchtlingen, die bei Timm-Heins auf dem Hof standen mit ihrem Planwagen… bin ich da rumgekrochen als kleiner Butscher. Und dann fragt mich einer „bist du auch ein Evakuierter?“. Son Wort hatte ich noch nie gehört. Hab‘ dann zufällig richtig geantwortet „nö“. Wie gesagt, das war richtig Abenteuer. Und die Engländer haben sich auch 1A benommen. Kein bisschen feindlich. Wir hatten hier auf der Hauskoppel… mit Vater war ja in Gefangenschaft, meiner Mutter alleine.. ein paar Schafe laufen, und die waren dann ausgebrochen. Aber es war Sperrzeit, Ausgangsperre. Ja, was nu. Die Schafe müssen ja rein. Wir mussten aus unserem Haus erstmal sofort ausziehen. Da haben die Engländer sich eingerichtet, haben die Küche da gehabt. Und ist dann zu einem Vorgesetzten gegangen und hat das erzählt. „Ja, kein Problem, da können noch ein paar Leute mitgehen“ und haben die Schafe wieder reingehütet. Hildebrands Getreidelager war ja früher sone alte Kate. Und da haben wir dann mit mehreren Personen gewohnt, für drei Wochen. Falls kein Raum groß genug war, war in der Diele sone lange Tafel gemacht worden. Und oben die Decke war nicht aus Brettern gemacht, sondern aus Halbschlägen, aus Fichten. Und oben liefen Hühner, und die kratzen ja auch. Und dann rieselte da auch was auf den Esstisch.
Meine Schwester war da ein Jahr alt und meine Mutter hat im Garten gearbeitet und hat sie dann am Stubenfenster abgesetzt. Und einen Tag hat sie durch das Fenster Schokolade gefuttert. Und hat sich da eingemust. Unsere ganze Diele war vollgestellt mit Fahrzeugen. Und wenn meine Mutter in irgendeine Kammer musste, dann wurde eben rausrangiert.
Aber unser Haus hätten sie auch fast abgebrannt. Das ist ja '36 nicht total neu gebaut worden, sondern da sind auch einige Wände innen alt geblieben mit Fachwerk. Und.. dann hatten sie hatten so eine Kocheinrichtung, da wurde Benzinfeuer mit Gebläse so einen Kanal längs geblasen und hat alles warm erhitzt. Und da war ein Balken, da wussten die ja auch nicht, und der fing schon an zu glimmen. Aber ist ja gut gegangen. Einmal war ich oben auf dem Heuboden und das Haus war so. Wir hatten nur das Schlafzimmer alleine, meine Mutter meine Schwester und ich und die Küche war gemeinsame Einrichtung. In dem Zimmer wohnte eine Familie. Ja, und im hinterem Baugebiet. Hinter Timmis Koppel, da waren Fahrzeuge und Kanonen abgestellt. Eine ganze Reihe längs. Und in manchen Autos war noch ein bisschen Benzin oder Diesel drin und die großen Jungs sind damit umhergefahren auf der Koppel. Und dann war da eine Kanone, sie guckten immer durchs Rohr, ob das frei war. Eine Kanone, da war was drin. Und die haben die Engländer auf der Koppel gesprengt. Ein großer Splitter davon ist vor unserer Küchentür in einen Pflaumenbaum eingeschlagen. Aber der hätte auch einen Menschen treffen können. Das war ein bisschen leichtsinnig von denen.
Auf dem Dorf gab es genug Essen. Es wurde auch ein bisschen schwarz geschlachtet. Wir hatten einen Flüchtling, der war Schlachter von Beruf.. und der hat das fachgerecht gemacht ne. Einer hatte ne Schrotmühle, aber nicht mit Mahlstein, sondern da war son rundes, gelochtes Sieb drin und dann haut da ne Welle mit so Schlägern rauf. Das war zum Korn mahlen. Dann hat einer rausgefunden, da könnte man auch gut Kartoffeln mit kaputtschlagen. Der wohnte in Berkenthin, da hatten wir schon Trecker. Und dann fuhren sie mit Trekkern und Wagen nach Berkenthin und ließen die Kartoffeln schroten. Und dann wurden sie irgendwie ausgewaschen oben. Und dann hatten sie Tische vorbereitet und die Masse darauf getrocknet und dann hatte man Kartoffelmehl.. Stärke. Aber es gab keine Süßigkeiten, keine Schokolade, kein Eis und so. Herr Fischer, der fortschrittliche Lehrer, der ist dann einmal mit uns nach Hamburg gefahren, nach Hagenbeck und zum Dom. Auf einem LKW. Den hatte einer, da wo Gerhard Lüth jetzt wohnt, mit einem Fuhrunternehmen und hat da einen amerikanischen Laster, son Dreiachser, mit Anhänger. Und die ganzen Kinder da rauf und ab nach Hamburg. Ohne Sitze. Das auf dem Dom, das war ja was. Da gabs ne Eisenbahn zum aufdrehen. Die kostete 14 Mark. Da war ich begeistert.. hätte ich am liebsten gekauft. Und dann gabs da Eis. Dann haben alle ein Eis bekommen. Das war das erste Eis in meinem Leben.
Auch so eine Geschichte. Kam ein Engländer bei Mutter an, er möchte den Key und zeigte auf die Kellertür. Und meine Mutter konnte ja kein Englisch. Key hat sie gedacht. Das hört sich ja an wie Käse. Und wollte den nicht rausrücken. Der wollte bloß mal gucken was da war.